Das total verzuckerte Märchenland – zuckerscharf serviert

Szenenfoto: Das total verzuckerte Märchenland

Das total verzuckerte Märchenland – zuckerscharf serviert

ein Weihnachtsmusical von Torsten Karow
Cottbuser Kindermusical, Premiere am 10. Dezember 2023, Stadthalle Cottbus

„Zuckerscharf“ – was soll das jetzt?
Na ja, etwas Clickbaiting, und zugleich die kürzeste Form auszudrücken, dass dieses Musical keinesfalls in süßer Weihnachtskitschstimmung angesiedelt ist.

Gerade daher ist es äußerst gelungen und bemerkenswert!

Der Titel, „Das total verzuckerte Märchenland“, ist eher als Drohung zu verstehen, denn es wird darum gehen, durch Verzuckerung die Weltherrschaft an sich zu reißen!

Bereits mehrfach hob ich die Leistungen hervor, die das Cottbuser Kindermusical auf und hinter der Bühne seit 1969(!) erbringt. Und jede neue Show macht das auf´s Neue deutlich.
Und doch ist diese anders.
Es ist, als ob es nochmals einen sehr kräftigen Ruck gegeben hat – der zu der Steigerung führte, die wir nun miterleben konnten.
Das gilt ganz besonders konzeptionell-thematisch, findet sich dann jedoch in allen Elementen der Inszenierung wieder. Bereits im letzten Jahr ging es kontrovers zur Sache. Von Geiselnahme zur Weihnachtszeit schrieb ich unter anderem (hier nachzulesen).

Diesmal nun scheint alles zuckersüß in Ordnung, doch es steht eine Machtübernahme unter Gleichschaltung selbst von Gut und Böse bevor. Auf der Bühne beginnt alles mit einer großen Revue-Nummer, die auch gut dorthin gepasst hätte, wo wir von wenigen Tagen waren.

Die Kompagnie der 30 jugendlichen Tänzerinnen wird ergänzt um viele weitere, die das Reich der Zuckerfee Shugana repräsentieren.
Und an deren dunklen, italienischen Akzent sprechenden Helfern lässt sich erkennen, dass der schöne Schein wohl auch andere Seiten hat.
Shugana hat einen Plan, für den sie alle Bewohnerinnen und Bewohner des Märchenlandes an einem Ort braucht. In ihrer Schwester Savorie, der Salzfee, findet sie die passende Botin, die Guten-Perfekten, die Bösen und selbst den Weihnachtsmann mit seinen Elfen zu einem Weihnachtsbankett einzuladen.

So gelangt Savorie zunächst in eine wunderbar rockige Welt in der Mr. Wolf, als Anführer der Bösen den Ton angibt. Der allerdings mag diese Rollenzuschreibung überhaupt nicht, dafür Savorie um so mehr – hat sie jedoch nicht zum Fressen gern, denn er ist Vegetarier.

Was bereits vorher deutlich wurde – das nochmals erheblich gestiegene Niveau der Kompositionen und Arrangements, der Choreographien und des Tanzes, der Texte und der schauspielerischen Leistungen – erfährt einen ersten Höhepunkt.

Weiter geht es in zu den Perfekten, Guten – sie trauen der Sache nicht so recht, sagen jedoch zu. Shugana ist erfreut, die Sache scheint zu laufen.

Das Musical hat eine richtig gut geschriebene Geschichte, die perfekt in jede der vielfältigen, künstlerischen Richtungen des Ensembles eingeflossen ist. Und womit – zurückzukommen auf das oben erwähnte Stück auf der größten Bühne der Welt – das CKM deutlich vor der eher lauen Story in Berlin liegt.
Sehr originell, hier jedoch nicht angemessen zu beschreiben, sind dabei nicht nur all die Einfälle rund um das Essen (wie passend allerdings [nicht nur] zur Weihnachtsschlemmerei).
Shugana lässt Zuckerstaub regnen und legt einen Zuckerbann über alles und jeden, ganz so, wie Brot und Spiele – oder Konsum, Ballermann, Fußball, BildungsFERNsehen und alternative Fakten – überdecken sollen, was sonst geschieht.
Dieses Musical ist bewusst politisch, und gerade dabei zuckerscharf.
Und vergisst dabei nicht, dem CKM selbst zuzuzwinkern, mit einem kleinen Seitenhieb Richtung Schlager.

Und dann? Kein Gut, kein Böse mehr? Friede, Freude, Eierkuchen?
Ganz und garnicht.
Doch um die Vielfalt wieder herzustellen, verfallen die Entkommenen auf die Idee, dafür das böseste Wesen im Universum heraufzubeschwören: Darkphobia.
Um bald darauf festzustellen, dass der Zweck wohl doch nicht alle Mittel rechtfertigt. Einmal freigelassen beabsichtigt Darkphobia durchaus nicht, danach das Feld zu räumen.

Da sich an dieser Stelle bereits viele andere Autoren die Zähne ausgebissen haben, und die Möglichkeiten eines Kindermusicals wie auch dessen Vorstellungszeit ausgeschöpft sind, gelingt die versöhnliche Lösung überraschend schnell.

Ein großes Finale schlägt den weihnachtlichen Bogen noch bevor die Gedanken schwermütig werden können. Am Ende regieren Zucker und Salz und essen Stinkekäse, umhüllt mit Schokolade.

Eintausendsiebenhundert Gäste hält es nicht mehr auf den Sitzen – stehend bejubeln sie eine besondere Leistung.

Wie schade, dass es so wenige Vorstellungen gibt – denn die später in Internet erfolgende Ausstrahlung der Aufzeichnung wird leider das Live-Erlebnis nicht ersetzen können. Daher bereits jetzt der Tipp: Im neuen Jahr sofort Karten sichern, wenn sich Weihnachten wieder nähert – und zwischendurch auch die anderen Programme des Cottbuser Kindermusicals besuchen!

Jens Pittasch

Besetzung:

120 Mitwirkende Kinder und Jugendliche auf der Bühne + zirka 60 Helferinnen und Helfer dahinter und im Vorfeld

Shugana, die Zuckerfee / Annabell Dudek
Savorie, die Salzfee, Shuganas Schwester / Emma Kaiser
Saccharosa – Shuganas Zofe / Elina Tran
Maltosi – Shuganas Leibwächter / Henning Veit
Perfekta / Jolina Troppa
Der Weihnachtsmann / Niklas Prager
Fleißlinus / Henry Valentin
Mr. Wolf, Anführer der Bösen / Tyler Twarz
Fartulan, ein böser Zauberer / Finian Keuchler
Dämonia, eine böse Zauberin / Laura Möbus
Obscura, eine schwarze Hexe / Johann Hotzan
Caligara, ein böses Hexenwesen / Jana Herzberg
Darkphobia, das böseste Wesen im Universum / Dajana Auch

Idee, Text, Buch: Torsten Karow
Regie, szenische Bearbeitung: Anika Kuschka, Paul Samelke
Choreographien: Verena Otto
Musik: Torsten Karow, Siegbert Himpel, Detlef Bielke, Gerd Thiele, Leo Fiedelstreich, Jens-Peter Erle, Maximilian Salzmann, Dieter Maaß, Carina Pannicke, Christian “James” Müller, Volker Schubert
Ensemblemanagement: Ronny Schröter

Vollständige Übersicht der Mitwirkenden und Macher

Vorstellungen und Informationen!

Stadthalle Cottbus (nicht vom falschen Linktext verwirren lassen)

Titelfoto: Axel Hansch


Szenenfotos: Christian Mrosk

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