DAS VERSCHMÄHTE WEIHNACHTSGESCHENK

Szenenfoto, DAS VERSCHMÄHTE WEIHNACHSTGESCHENK

DAS VERSCHMÄHTE WEIHNACHTSGESCHENK

Cottbuser Kindermusical

Premiere am 11. Dezember 2022 – Stadthalle Cottbus

Ein Musical mit dem Februar in der Hauptrolle. Wo hat man sowas schon gesehen?
Nun, das Cottbuser Kindermusical macht es möglich.

Torsten Karow hatte die Idee, und nun stehen 110 Kinder und Jugendliche auf der großen Stadthallenbühne vor 1.400 Zuschauern. Unglaublich.
Vor den eigentlichen Sitzreihen findet sich eine Zusatzbestuhlung, die wohl allein mehr Plätze bietet als die eigentliche Heimstatt des CKM, im Saal des Konservatoriums.
Und alles ist voll. Vom Kleinkind bis zu den Urgroßeltern, einfach phantastisch, welche Beliebtheit dieses besondere Ensemble allein in dieser Resonanz widerspiegelt.
Leider nur dreimal wird die aufwändige Inszenierung gespielt. Doch Dank der enormen Kapazität werden knapp 5.000 Gäste dabei gewesen sein.
Und wie Ensemblemanager Ronny Schröter informiert, soll es eine Fernsehfassung geben. Bei keiner der großen Anstalten, dafür frei anzuschauen im Internet. Leider aber kann ein Monitor nicht die einmalige Atmosphäre ersetzen, die in der Stadthalle mitzuerleben war.
Umso mehr ein Grund, darüber zu schreiben.

Der Februar also in der Hauptrolle, genauer gesagt Fewralja.
Alle Monate werden durch junge Darstellerinnen vertreten, Monatselfen, wenn man so will – von Janwara bis Dezaria.
Neben dem Weihnachtsmann, der eher am Rande agiert, gibt es eine männliche Rolle, den Engel der Weihnacht. Der Weihnachtsmann hat eine Helferin, und es spielt ein Einhorn mit. Insgesamt sind wir so bereits bei 16(!) in der Handlung selbst aktiven Figuren.
Und je nach Szene kommen singend und tanzend viele Gruppen hinzu. Kleine und mittelgroße Elfen, bedrohliche Schatten – die Vielfalt der Ideen scheint grenzenlos.
Sieben Ausbildungsklassen wirken mit und erreichen so die unglaubliche Anzahl von 110 Darstellerinnen und Darstellern auf der Bühne.
Entsprechend aufwändig muss es gewesen sein, all diese Kinder und Jugendlichen in Kostüme zu bringen und sie vor, während und nach den Vorstellungen zu begleiten.
Viele Eltern und der Förderverein haben daran mitgewirkt.

Und die Inszenierung selbst: Was für ein Kraftakt!
Denn trotz der Anzahl der Mitwirkenden ist die Handlung durchaus komplex, sind Musik und Komposition (überwiegend) anspruchsvoll – und ebenso die Choreographien.
Ausgespielt werden zudem viele Möglichkeiten der Licht- und Bühnengestaltung. Auch diese wollen erdacht und eingerichtet sein.
Apropos gespielt – es reiht sich in zwei Stunden (mit Pause) Musik an Musik, Titel an Titel – alles neu komponiert, getextet, arrangiert und eingespielt extra für dieses Stück.
Noch ganz ohne dieses selbst betrachtet zu haben, kommen wir so von Superlativ zu Superlativ.

Und, ich muss es einfach erneut erwähnen, in ähnlicher Form passiert das seit 1969 – seit 53 Jahren!
Und daher schauen heute im Saal ganze Generationen zu, die selbst einmal CKM-Kinder gewesen sind. Und genau daher ist es auch ganz und gar unwichtig, im Rahmen einer Rezension (wie sonst gern üblich) darüber zu urteilen, ob sie oder er – hier oder da alle Töne getroffen hat. Oder ob diese oder jene Musik nun diesen oder jenen Geschmack getroffen oder verfehlt hat.

Abgesehen davon sind die Leistungen der jungen Künstlerinnen und Künstler ganz überwiegend sehr bemerkenswert. Die Arbeit der CKM-Macher setzt auf eine interdisziplinäre Ausbildung in den Bereichen Gesang, Tanz und Schauspiel. Dabei stehen Team, Freude und Motivation über der einzelnen Höchstleistung – was trotzdem heißt, dass Höchstleistungen erreicht werden, die international Beachtung finden.
Gerade eben, im November 2022, wurde Emily Miesler (19) mit dem Europäischen Jugendmusical Preis für die beste Nebenrolle (in „LARA und das Weinen der Sterne“) ausgezeichnet. Und der Bronzepreis für die beste Ensembleleistung ging an das gesamte Cottbuser Kindermusical.

Was hier an diesem Abend und an jedem anderen Tag geleistet wird, ist also außerordentlich. Kein Wunder, dass man dabei schnell der Versuchung erliegt, von genau diesem Abend abzuschweifen.

Dritter Anlauf – ohne die Handlung nachzuerzählen:
Hauptrolle, Februar, Fewralja – und nun sei doch eine Einzelrolle herausgestellt. Denn wie Hanna Sachs (13) ihren benachteiligten Monat in Szene setzt, ist wohl auch preisverdächtig.
Fewralja ist erstens sauer und zweitens verliebt – oder umgekehrt.
Verliebt in den Engel der Weihnacht (da ist sie nicht die Einzige) und sauer, weil alle anderen Monate mehr Tage haben (damit ist sie die Einzige).
Außerdem kommt sie bei den Geschenken immer zum Schluss dran, was nun wirklich unverständlich ist.
Und so verschmäht sie zunächst ihr Geschenk, das ihr die anderen Monate machen wollen (die übrigens alle etwas „Richtiges“ vom Weihnachtsmann direkt bekommen) – und bringt dann mit einer etwas radikalen Aktion fast den Jahreslauf zum Erliegen und den Engel in ihre Gewalt.
Uuups, ja, Geiselnahme zur Weihnachtszeit – dafür zugleich für mich der musikalische und inszenierungsseitige Höhepunkt des Ganzen. Da fällt es leicht, ein paar vorherige Schlagertakte weniger schwer zu nehmen. Fewralja mit dem gefallenen Engel im Schattenreich, Pluto und Eurydike lassen grüßen, nicht nur thematisch – selbst den Kuss gibt es. Statt Jupiter kommt ein Einhorn und statt strafender Blitze gibt es Verständnis, Verzeihen und Erkenntnis.

Klingt alles so garnicht weihnachtlich und nicht so ganz kindgerecht?
Doch, so, wie hier umgesetzt – das ist bitte im besten Sinne zu verstehen – erleben wir das Musical als eierlegendes Weihnachtswollmilchrentier. Weder gruseln sich Vierjährige noch schlafen Achtzigjährige ein. Stattdessen viel Szenenapplaus, zwei Stunden große Freude, viel Jubel beim Applaus und viele, viele glückliche Gesichter am Ende im Foyer.

Vielen Dank.

Text: Jens Pittasch

Programmhinweis: Ab 18. März gibt es neue Vorstellungen des oben genannten, ausgezeichnetes Stückes „LARA und das Weinen der Sterne“. Karten sind bereits erhältlich!

MITWIRKENDE UND MACHER

Idee, Buch und künstlerische Leitung: Torsten Karow
Gesamtleitung: Ronny Schröter
Choreographie: Verena Otto
szenische Bearbeitung und Regie: Anika Kuschka/ Paul Samelke
Lieder: Torsten Karow – außer „Wenn es aufhört zu tauen“ von Emily Miesler
musikalische Arrangements: Detlef Bielke, Siegbert Himpel, Lutz Jank, Dieter Maaß, Carina Pannicke

Darstellerinnen und Darsteller:
Weihnachtsmann: Niklas Prager
Engel der Weihnacht: Joel Fischer
Einhorn: Erika Lenk
Kirakira: Lilly-Marie Rigo
Janwara: Mariella Pfaffe
Fewralja: Hannah Sachs
Marchella: Annabell Dudek
Aprelia: Dajana Auch
Maijana: Lena Poniwas
Junina: Thora Schimang
Julawa: Maja Kuschnir
Augustina: Lucie Rigo
Septara: Louisa Möller/Vanessa Halpick
Oktara: Emma Kaiser
Novera: Annegret Heinze
Dezaria: Emily Miesler

alle Fotos: Ralf Osthoff / CKM

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