Tristan und Isolde
Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner, Staatstheater Cottbus, Premiere am 28. Januar 2023
Im Februar 2007 führte ich ein Gespräch mit Martin Schüler.
Von 1990 bis 2018 wirkte er am Cottbuser Staatstheater, fast von Beginn an als Operndirektor und seit 2003 als Intendant. Auf ihn geht die Aussage zurück: ´Den Tristan mache ich nicht, da gibt es nichts zu inszenieren.´
Dabei war Wagner für Martin Schüler durchaus von sehr großer Bedeutung. Er brachte so ziemlich alles von ihm auf die Bühne, das auch weltweit gespielt wird. Und selbst ein Stück aus Wagners Leben: „Cosima“, von Siegfried Matthus (Premiere 4. Juli 2009). Cosima war Wagners große Liebe – und neben seiner Muse Mathilde Wesendonck, spielt auch sie eine Rolle in der Entstehung von „Tristan und Isolde“, wurde doch die erste Tochter von Richard Wagner und Cosima von Bülow nicht ohne Grund Isolde genannt.
Mehr als 30 Jahre brauchte Wagner von der Idee bis zur Premiere 1886. Richard Wagner und Mathilde Wesendonck, beide anderweitig verheiratet, waren die Zwei Königskinder – seelenverwandt, räumlich sehr nah beieinander und doch unerreichbar (Wagner und seine Frau wohnten im Gartenhaus der Wesendoncks).
Wagner empfand sich selbst als Tristan und Mathilde als Isolde – ihrem Glück im Wege deren Mann Otto – er wurde zu König Marke. Die Situation eskalierte, politische Querelen kamen hinzu, für Wagner begannen unruhige Jahre in der Ferne. Während dieser Zeit, belastet von großer Sehnsucht, vollendete er 1859 den Tristan. Wie schwer ihm diese Trennung fiel – es ist wohl nicht falsch, von großem Leid zu sprechen – fand Ausdruck in der unfassbar langatmigen Handlung und der geschwollenen Sprache des Stückes.
Musikalisch allerdings, und da liegt die eigentliche Qualität Wagners, sprengte die Komposition die bis dahin bekannte Harmonik – legendär wurde der sogenannte Tristan-Akkord.
Sein Leiden übertrug Wagner auf seine wenigen Akteure – die stimmlichen Anforderungen an sie sind enorm, die Endlosigkeit der Szenen darstellerisch eine Zumutung.
Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Tristan der Uraufführung, starb kurz nach der vierten Vorstellung, im Alter von nur 29 Jahren. 1911 und 1968 forderte das Stück die nächsten Opfer, die Dirigenten Felix Mottl und Joseph Keilberth brachen mitten in Aufführungen zusammen.
Scherzhaft meinte der Cottbuser Generalmusikdirektor Alexander Merzyn (musikalische Leitung) im rbb-Interview: „.. das hoff´ ich sehr, dass mir das nicht passiert; da bin ich auch sehr zuversichtlich – aber das zeigt vielleicht, dass das wirklich alles einem abverlangt.“
Um diese Hochleistung zu sichern, setzte der heutige Intendant Stephan Märki (Regie) nicht auf Mitglieder des gut bestückten Cottbuser Opernensembles, sondern auf weltweit anerkannte Wagner-Schwergewichte. Zunächst Catherine Foster als Isolde, eine britische Sopranistin, die diese Rolle bereits sechs Jahre in Folge in Bayreuth sang. Der Amerikaner Bryan Register verleiht dem Titelhelden Tristan die Stimme des Heldentenors. Brangäne, Dienerin der Isolde, wird gesungen von Annika Schlicht, international erfolgreich unter anderem als Fricka und Waltraute („Ring des Nibelungen“) und in dutzenden weiteren Hauptrollen. Der vierte Gast ist Dimitry Ivashchenko als König Marke. Der in Russland geborene Sänger singt zwischen MET und Bregenz, Paris, München und Berlin.
Das Cottbuser Ensemble wird in wichtiger Rolle lediglich vertreten durch Andreas Jäpel als Kurwenal, ein Gefolgsmann Tristans. Der allerdings meistert diese Aufgabe ausgezeichnet. Nebenfiguren verkörpern dürfen Nils Stäfe und Hardy Brachmann, wobei letzterer im dritten Aufzug eher als Statist zum Einsatz kommt. Wie bedauerlicherweise auch die Herren des Opernchores, bis auf sehr wenige Einsätze zuvor.
´Da gibt es nichts zu inszenieren…´ – sagte Martin Schüler. In der Tat ist die Handlung in zwei Minuten erzählt – dauert die Cottbuser Inszenierung jedoch netto vier (4) Stunden. Und bewegt sich damit am oberen Ende aller Aufführungen der Oper.
Dass es nichts zu inszenieren gibt, erklärt sich bereits aus dem Missverhältnis von zwei Minuten Handlung gegenüber 240 Minuten Spieldauer. Hinzu kommt, dass – bis auf wenige Ausnahmen – jeweils nur zwei Personen agieren, und diese dann in schweren Worten, über mehrmals 60 Minuten die Unendlichkeit der Unendlichkeit des Liebesleides zelebrieren.
Diese Unendlichkeit hat wohl auch Bühnenbildner Philipp Fürhofer inspiriert, verlegt er den Handlungsort doch in eine Art Aussichtsbereich eines Jugendstil-Raumschiffes und lässt es durch die Sterne rauschen. Das ist ziemlich beeindruckend umgesetzt, unter Ausnutzung vielfach ansteuerbarer LED- und Projektionstechnik. Das Licht als Stilmittel reicht denn auch bis in die Kleidung Isoldes und Tristans und bezieht diese phasenweise direkt ein in die Unendlichkeit von Raum und Zeit – denn, eine weitere Idee der Inszenierung: Weder altern beide im Verlauf des Geschehens noch findet deren finale Vereinigung (wie im Original) im Tode statt – sondern als Sterne unter Sternen, erneut also der Bogen zur Unendlichkeit.
All diese Einfälle jedoch können es nicht schaffen, eine Inszenierung entstehen zu lassen. Eher führt konkret die Spiegelung in den gebogenen, riesigen Scheiben des Raumschiff-Wintergartens dazu, dass beispielsweise der Liebestaumel des zweiten Aufzuges ungewollt zu einer Karikatur gerät und der Betrachter das eine und andere Mal peinlich berührt auf die Zerrbilder der Hauptdarsteller blicken muss. Auch trägt halt die mehrfache Wiederholung der zunächst interessanten Effekte (LED, Projektion, Kleidung) irgendwann nicht mehr zur Auflockerung bei.
Publikum und Musikern werden zwei Pausen von je 45 Minuten zur Erholung gegönnt. Die aufgeschnappten Gespräche der Gäste, besonders in der zweiten Pause, drehen sich denn oft um die missglückten visuellen Eindrücke und weniger um die musikalischen Leistungen.
Denn diese sind durchaus sehr bemerkenswert. Die gastierenden Solistinnen und Solisten geben ihren Verpflichtungen für diese Rollen Recht, auf gleicher Höhe begleitet sie Andreas Jäpel.
Aus dem Orchestergraben ertönt es fast durchgängig eindringlich und meisterhaft – leider aber fegt das sonst ausgezeichnete Philharmonische Orchester Catherine Foster und den dann Schwächen zeigenden Bryan Register im zweiten Aufzug akustisch für einige Zeit von der Bühne.
Er und die Musiker fangen sich am Ende wieder und hinterlassen das Publikum, nach einem zwar langen, jedoch garnicht mehr so lang erscheinenden Abend, unter den realen Sternenhimmel. Intensiver Applaus und einiger Jubel bestätigen den Erfolg einer außergewöhnlichen Leistung.
Text: Jens Pittasch
Ab 11. Februar ist die Inszenierung bis Mai 2023 nur weitere fünfmal im Programm.
Besetzung, Informationen und Karten:
https://www.staatstheater-cottbus.de/programm/tristan-und-isolde/
Fotos: Marlies Kross
Szenenfotos mit: Catherine Foster (Isolde), Bryan Register (Tristan), Andreas Jäpel (Kurwenal), Annika Schlicht (Brangäne), Hardy Brachmann (Hirte)