Oktober, 2021

MI27okt14:00Aura der SchmelzerDeutsch-Polnische Führung 60+

Veranstaltungsdetails

Sibylle Bergemann, Roland Berger, Kurt Buchwald, Eberhard Dietzsch, Walter Eisler, Lutz Fleischer, Lore Gerkewitz, Lutz Gode, Peter Graf, Wolfgang Gregor, Margit Grüger, Hannelore Haberkorn, Harry Hardenberg, Ingrid Hartmetz, Eberhard Heiland, Isolde Hirte, Monika Janus-Sommer, Lutz R. Ketscher, Gerhard Kiesling, Thomas Kläber, Rolf Kuhrt, Hans-Wulf Kunze, Gerda Lepke, Ute Mahler, Roger Melis, Arno Mohr, Ellena Olsen, Karl Ortelt, Walter Pohlenz, Ulf Raecke, Ludwig Rauch, Evelyn Richter, Bernd Rückert, Frank Ruddigkeit, Sven Schmidt, Sangare Siemsen, Wolfgang Smy, Uwe Steinberg, Herbert Strecha, Ines Thate-Keler, Gerd Thielemann, Norbert Wagenbrett, Falko Warmt, Ralf-Rainer Wasse, Gert Weber (Webbs), Christoph Wetzel

In der Rathaushalle Frankfurt (Oder) des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst (BLMK) startet am Sonntag, 3. Oktober 2021, die neue Ausstellung „Die Aura der Schmelzer. Die Kunstsammlungen der Maxhütte und des BLMK“. Die Schau beleuchtet, wie Kunst nach 1945 durch Industrieunternehmen inspiriert wird und ist bis zum 28. November 2021 zu sehen. Sie verbindet circa 110 Werke beider Sammlungen vergleichend, davon knapp 50 aus der Sammlung der Maxhütte mit den Schwerpunkten Malerei und Grafik sowie ungefähr 60 hauptsächlich fotografische Arbeiten aus der Sammlung des BLMK.

Die Ausstellung veranschaulicht, wie Großbetriebe die künstlerischen Gestaltungsideen zu entfesseln vermögen, Technologien ästhetische Fantasien befeuern und Produktionsstätten zu abenteuerlichen Motivreservoirs geraten. Dabei werden Kunstwerke aus einem Stahlwerk – der Maxhütte in Unterwellenborn – mit Bildern aus der Sammlung des BLMK zusammengeführt und künstlerische Parallelen aufgezeigt. Beide Kollektionen entstanden über einen ähnlichen Zeitraum weitgehend im gleichen gesellschaftlichen System – der DDR – und werden nach wie vor durch zeitgenössische Kunst ergänzt, die auch in der Ausstellung vertreten ist.

Die Kunstsammlung Maxhütte zeigt beispielhaft, wie die Spuren der vergangenen Industrialisierung eines peripheren Ortes die Kunst prägten. Der Stahlriese Maxhütte im thüringischen Unterwellenborn war zuzeiten ein metallurgisches Schwerpunktprojekt der DDR. Die dortige Galerie entwickelte sich in den 18 Jahren ihres Bestehens zu einer der wesentlichen Betriebsgalerien des Landes. Es entstand eine Kunstoase in der Provinz, die sich zeitweilig zu einer Nische der Avantgarde etablierte. 1986/87 – in einer Zeit als sich die Kunst in der DDR mutig nonkonforme Freiräume geschaffen hatte – initiierten die Galeristen Margret und Edwin Kratschmer anlässlich ihrer 100. Ausstellung den republikweiten Kunstwettbewerb „Max braucht Kunst! Schafft erregende Kunstwerke über unsere erregende Zeit“. Diese Werke aus den letzten Jahren des untergegangenen Staates bilden das Kernstück der Kunstsammlung Maxhütte, die eine der wenigen noch vorhandenen geschlossenen Betriebssammlungen der DDR ist. Die Motive reichen weit über Fabrikarbeiter, -interieurs und Industrielandschaften hinaus und wiederspiegeln die thematische und stilistische Vielfalt der 80er-Jahre. Auch im BLMK wurden Sujets der Industriekultur gesammelt: Großbaustellen, Kraftwerke, Tagebaue und Industrielandschaften des brandenburgischen Umlandes reizten viele Künstler*innen zu Motiv. Alte Arbeitsorte, die das industrielle Selbstbild Brandenburgs wesentlich geprägt haben, rücken in den Fokus der Betrachtung.

Thematisch ist die Ausstellung in fünf Bereiche gegliedert: Industrieinterieurs, Industrieexterieurs, Industrielandschaften sowie Arbeitssphäre und Privatsphäre der Arbeiter*innen. Die Darstellungen reichen von realistischen Wiedergaben der Industriearchitektur und -landschaften über romantisierte und idealisierte Abbildungen bis hin zu Dystopien. Besonders fasziniert waren Künstler*innen von technischen, maschinellen Vorgängen in den Fabriken, die sie zum Teil zu kühnen Abstraktionen und bedrohlich wirkenden Kompositionen inspirierten. Die Schau zeigt außerdem, wie sich das Arbeiterbildnis in der DDR über die Jahrzehnte stark veränderte. Zunächst dominierten heroisierende Darstellungen mit Attributen der Handarbeit (Hammer, Schaufel u.ä.), die später von Werktätigen im industriellen Produktionsprozess und entspannteren, gar heiteren Szenen am Arbeitsplatz abgelöst wurden – in Brigadebildern war der Leiter nun Teil der Runde. In den 1970er Jahren begann die Entmythisierung des Arbeiters und menschlichere Darstellungen rückten in den Vordergrund – auch die Privatsphäre wurde ein Sujet. Der Mythos vom „Helden der Arbeit“ wurde u.a. durch Bilder von erschöpften Werktätigen in Frage gestellt und Brigadedarstellungen zur kritischen Vorführung gesellschaftlicher Prozesse genutzt. Dies war ein Tabubruch, da so staatlich geforderte Bildmuster hinterfragt und aufgebrochen wurden.

Vervollständigt wird die Ausstellung durch den circa einstündigen Dokumentarfilm „Symphony of the Ursus Factory“ der Regisseurin Jasmina Wojcik aus dem Jahr 2018. Die Traktoren- und Landmaschinenfabrik Ursus in Warschau gehörte einst zu den größten ihrer Art in ganz Europa. 20.000 Arbeiter*innen produzierten zeitweilig 100 Traktoren pro Tag. Heute sind viele Produktionsstätten verfallen oder wurden abgerissen. Choreografen, Musiker und Filmemacher leiteten ehemalige Beschäftigte an, die damals ausgeführten Tätigkeiten, Gesten und Geräusche zu rekapitulieren. In einer Performance auf den heutigen Fabriküberresten versetzen sich die Arbeiter*innen in ihre frühere Arbeit und führen ein fulminantes Traktorenballett auf. Der Film ist im polnischen Original mit deutschen Untertiteln zu folgenden Spielzeiten zu sehen: Dienstag bis Freitag 15 Uhr, Samstag und Sonntag 13 Uhr und 15 Uhr.

Zur Ausstellung erscheint ein deutsch-polnischer Katalog, der ab 3.10.2021 in den Museumsshops des BLMK erhältlich ist sowie über die Website des Museums bestellt werden kann: 216 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 18 Euro.

Zeit

(Mittwoch) 14:00

Ort

Rathaushalle Frankfurt (Oder)

Marktplatz 1, 15230 Frankfurt (Oder)

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