VERBLENDET

VERBLENDET, Szenenfoto

VERBLENDET

Enthüllungsstück von Dave Davidson, Deutschsprachige Erstaufführung
Regie: Philipp Rosendahl

Staatstheater Cottbus, Kammerbühne
Premiere am 21. September 2024

Wieder ein neues Wort gelernt: „reenacten“ – sagt einfach „nachspielen“. Wenn etwa Leute in historischen Kostümen über ehemalige Schlachtfelder stürmen, oder wenn römische Senatoren in Tunikas Julius Cäsar im Pompeius-Theater für eine Doku ermorden.

Reenactment, in sich live und medial überschneidenden Ebenen, ist die Spielform dieses Abends. Jedoch gegenwärtiger, im vorliegenden Fall liegen die nachgespielten Ereignisse nur wenige Jahre zurück.

Was genau wer und warum nachspielt, darf nun eigentlich verraten werden – würde jedoch den Besuchern zukünftiger Aufführungen ein wesentliches Merkmal der Inszenierung rauben. Denn Fake oder Fakt, Verschwörung oder Enthüllung, Meldung oder Manipulation stehen im Mittelpunkt.

Es wäre also schade, das aufzulösen. Ist doch selbst das Programmheft, das zur Vorstellung verteilt wird, versiegelt und soll erst nach deren Ende geöffnet werden.

Wobei: Auflösen? Ich weiß auch am Tag danach noch nicht, welcher der Erzählstränge, welches der Ereignisse überhaupt eine Auflösung liefern könnte.

Auch meine Interpretation möchte ich nicht anbieten, würde doch auch dies bereits die zukünftige Betrachtung beeinflussen.

Wegzulassen ist also, was wir sehen.
Sehr wichtig ist jedoch, wie wir es sehen.

Und da ist zunächst die großartige schauspielerische Leistung von Nathalie Schörken und Torben Appel herausgestellt zu nennen. Ebenso der Bühnen- und Medienraum, den Philipp Basener für sie geschaffen hat, die Videos von Jan Isaak Voges und der besondere Premiereneinsatz von Philipp Basener an Stelle der erkrankten Sigrun Fischer.
Gerade auch diese Änderung (es gibt halt keine Zufälle) passte perfekt in die Inszenierung von Philipp Rosendahl. (Nur bitte etwas lauter!)

Zu dem, was passiert, sei nur soviel gesagt: Hätte ich nicht selbst eine liebe Freundin, die immer wieder einmal damit kommt, sie sei im Internet auf ein Geheimnis gestoßen; würden nicht gerade heute wieder viele Menschen daran glauben, es sei erforderlich, eine „Alternative“ zu wählen – würden wir uns nicht inzwischen in einer Zweiteilung der Gesellschaft zwischen Populismus und Realität befinden, dann könnte man das ganze Stück irgendwie abtun als irrelevant, als an den Haaren herbeigezogen, überflüssig, verzichtbar.

So aber ist es das nicht. So aber ist auch diese scheinbare Überspitzung eben doch Realität und relevant. Und was hier nachgespielt wird, passiert im gleichen Moment in großer Zahl und mit so garnicht mehr rein virtuellen Auswirkungen.

„Enthüllungsstück“ steht in der Ankündigung – und ist falsch: Nichts mehr passiert im Verborgenen, keine Chemtrails sind nötig und kein Darknet. Putin gewinnt Wahlen in Deutschland, und die verbliebenen Parteien hadern mit der Demokratie. Dabei brauchen wir nun schnell und wirksam: Bildung, Bildung, Bildung.

Jens Pittasch

nächste Vorstellungen:

Dienstag, 24. September 2024, 19.30 Uhr
Sonntag, 6. Oktober 2024, 19.00 Uhr
Freitag, 1. November 2024, 19.30 Uhr

Informationen und Karten

Besetzung:

Jennifer – Nathalie Schörken
Oli – Torben Appel
Journalistin Davidson – Sigrun Fischer (Premiere Philipp Basener)
Detective Kirkwood – Lucie Luise Thiede
sowie Damen und Herren der Statisterie

Regie – Philipp Rosendahl
Bühne & Kostüm – Philipp Basener
Sounddesign – Heiko Schnurpel
Video – Jan Isaak Voges
Dramaturgie – Wiebke Rüter
Regieassistenz – Elisa Freigang
Inspizienz – István Farkas Soufflage       

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