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MAKO 75

Mako 75, Szenenfoto

MAKO 75

Ein Schauspiel von Reinhard Drogla über die Hintergründe des Absturzes einer MiG-21 in ein Cottbuser Wohnhaus 1975.
Ausstattung: Veronica Silva-Klug
Es spielen Astrid Mousli und Leander Linz.
Regie: Reinhard Drogla

Premiere am 13./14. September 2025

Im Januar 2026 ist MAKO 75 wieder im Programm des Cottbuser Piccolo-Theaters.

Es ist eine der regelmäßigen, jedoch seltenen Produktionen, mit denen sich Theaterleiter Reinhard Drogla nicht an Kinder und Jugendliche richtet, wenn auch die Art der Inszenierung für alle ab Jugendalter durchaus geeignet und empfehlenswert ist.

Transportiert doch das kurze Kammerspiel in großer Nähe große Gefühle aus eindrücklichem Spiel des Ehepaars Makowicka (Astrid Mousli, Leander Linz).

Als Eröffnungsstück der Spielzeit 25/26 geht man davon aus, dass dem Stoff und dessen Bearbeitung eine gewisse Programmatik zuzuschreiben ist.

In der Ankündigung stellt das Theater die Frage:

„War Makowicka ein Held? –  Theaterintendant Reinhard Drogla [versucht] sich diesem denkwürdigen Tag und dem Piloten Makowicka zu nähern.“

Welche Umstände führten dazu, diese Frage zu stellen?

Nicht mehr ganz junge Cottbuser kennen wahrscheinlich das zugrundeliegende Ereignis.

Im Januar 1975 ragte plötzlich das Heck einer MIG-21 aus einem Fenster eines Plattenbaus in der Schmellwitzer Straße. Kurz vor dem Flugplatz war der Jet abgestürzt. Mangels öffentlicher Informationen bildeten sich Legenden, darunter die vom Heldentum des Piloten, der nicht abgesprungen war, sondern noch das TKC und einen Kindergarten überflogen habe.

Ganz unabhängig von dem Blick, den nun das Piccolo-Theater auf das Geschehen richtet: Die Frage nach einem Heldentum lässt sich nicht beantworten.

Niemand weiß, warum Makowicka nicht ausstieg. Fliegerkollegen sagen in Videoeinspielern aus, sie hätten nicht gewusst, dass da ein Kindergarten war.

Technische Analysen ergaben, dass der Pilot nur eine sehr kurze Zeitspanne hatte (etwa 7–20 Sekunden), um zu reagieren. Die Maschine befand sich im Endanflug in vollständiger Landekonfiguration. Das ist ein sehr anspruchsvoller Flugzustand mit minimaler Flughöhe und sehr begrenzten Manöverreserven bei einem vollständigen Triebwerksausfall. Eine MIG schwebt nicht, sie fällt ohne Antrieb.

Der Pilot befand sich am Ende eines wenig anspruchsvollen Abnahmefluges. Die Landebahn in Sicht, die Gedanken vielleicht schon in der „Meise“, der Gartenkneipe, in der sich die Piloten trafen, oder beim Sport, dem er nachging. Seine vielfach vorgenommenen Handlungen in der Maschine erfolgten routiniert laut Ausbildung und Erfahrung. Dann kam es zum fatalen Fehler. Er erhielt den Befehl zur Betätigung des Schleudersitzes. Wir wissen, dass er diesen nicht befolgte. Mehr nicht.

Drogla verstärkt diese Unsicherheit, indem er eine familiäre Situation zeichnet, die von Ehekonflikten gekennzeichnet ist. Bei ihm steigt Makowicka an diesem Tag in sein Flugzeug und verliert sich im Himmel zwischen der Freiheit des Fliegens und Gedanken an Streit und Eifersucht, Feierabend, Kumpels und Sport.

Die Stärke des Stückes ist weniger die geschichtliche Aufarbeitung als das Zeigen der menschlichen Geschichte, die niemandem fremd ist.

Insofern scheint die Fragestellung vom Anfang nicht gut gesetzt, wenn auch die Besucher des ersten Premierentages (ausschließlich ehemalige Angehörige des NVA-Jagdgeschwaders-1) die Inszenierung mit hoher, persönlicher Dankbarkeit aufnahmen. Für sie war es eine emotionale Befreiung, da es das jahrzehntelange Schweigen brach und das Schicksal ihres Kameraden (und etlicher Opfer im Gebäude) endlich öffentlich würdigte.

Dass Reinhard Drogla direkt nach der Premiere vom Verband zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR mit dessen Ehrennadel ausgezeichnet wurde, provoziert allerdings Fragen – angesichts der eigenen DDR-Geschichte des damaligen Liedermachers Drogla – die mit dem Stück nichts zu tun haben, jedoch möglicherweise mit dessen Entstehung.

Ist die gesamte Erarbeitung zu einem guten Teil eigene Vergangenheitsbewältigung dieses verdienten Theatermannes? Er selbst sagte in einem Interview: „Dieser Stoff ist zu mir gekommen. Ich habe ihn nicht gesucht, aber er berührt mich, geht mich auch was an.“

Beantwortet das die Frage, die nach der Aufführung groß vor mir stand: „Warum?“

Erlebten wir hier eine späte Versöhnung? Einen Friedensschluss zwischen eigener Biographie und dem damaligen System?

Auch diese Frage muss wohl jeder für sich beantworten, wie die nach dem Heldentum.

Wie das Ganze auf die Bühne gebracht und dort gespielt wird, ist in jedem Fall bemerkenswert.

Drogla wählt den Weg der maximalen Reduktion. Er widersteht der Versuchung, den Absturz der MiG-21 in das Wohnhaus als technisches Spektakel zu inszenieren. Stattdessen zwingt er den Zuschauer an den Frühstückstisch des Ehepaars Makowicka. In der beklemmenden Banalität von Kaffeetassen und Ehestreitigkeiten sind die Darsteller Leander Linz und Astrid Mousli einfach Menschen. Peter Makowicka wird greifbar als Mann mit Fehlern und Zweifeln. Mehr Einblick hätte ich mir in das Leben seiner Frau gewünscht.

Durch mehrere, durchaus lange Videoeinspielungen kommen jene zu Wort, die damals zum Schweigen verpflichtet waren: Augenzeugen, Betroffene und Kameraden. Hier gewinnt die Dokumentation fast Oberhand gegenüber der Kunst.

Was Astrid Mousli und Leander Linz allerdings immer wieder ausgleichen können, besonders in den Dialogen zwischen Raum und Zeit.

Diese Perspektive macht das Stück zugleich universell und lokal. Es ist die Geschichte zweier Menschen, die zwischen persönlichen Sorgen und beruflichen Anforderungen zerrieben werden – angelehnt an eine Cottbuser Katastrophe.

Ach ja: Die Programmatik.
Nun, das Motto der Spielzeit ist „Jubeln“.
Berechtigtes und gern lautes Jubeln über 35 Jahre Piccolo.
Und mit diesem ernsten Auftakt beweist das Haus, dass zum Feiern auch die Souveränität gehört, Nischen der Erinnerung auszuleuchten, die im damals Dunkeln bleiben mussten.
Das wäre ein reifes Statement: Wahrer Jubel entsteht dort, wo man die Freiheit hat, alles erzählen zu dürfen.

Jens Pittasch

nächste Vorstellungen: 15.1., 16.1.2026

Karten

Fotos: Michael Helbig

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