MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL – aus der Zeit gefallen

Szenenfoto - Märchen im Grand-Hotel_14

MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL – aus der Zeit gefallen

Lustspiel-Operette von Paul Abraham in zwei Akten mit einem Vor- und Nachspiel
Text von Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda
Nach einer Inszenierung des Staatstheaters Nürnberg

Staatstheater Cottbus – Premiere am 17. Juni 2023

Ein Lustspiel, das vor allem die Frage nach der Lust in der heutigen Zeit aufwirft. Konkret der sexuellen Lust angesichts MeToo und Lindemann.

Was ist Cancel-Culture? Wo beginnt Diskriminierung? Was ist von der Kunstfreiheit gedeckt (oder überhaupt Kunst)? … Und wie positioniert sich Theater?

Reicht der Verweis auf betörende Musik mit Ohrwurm-Garantie und jazzige Rhythmen (Ankündigung), um Sexismus „alter Schule“ als Unterhaltung und „leichte Muse“ abzutun?
Reicht als Rechtfertigung, das Stück markiere künstlerisch den Übergang von der Operette zum Musical und inhaltlich wäre das damals halt so gewesen, um das Ganze unreflektiert in die Gegenwart zu tragen?

Über fünf Seiten beschäftigt sich im Programmheft Corinna Jarosch (Dramaturgie) mit musikalischen Erwägungen solcher Art. Auch mit Paul Abraham, für den es darum ging, in die richtigen Kreise zu kommen, um Geld zu verdienen. Was ihm dann, „wie in einer Schlagerfabrik quasi ´am laufenden Band´“, auch gelang. Sie erwähnt seine exzentrischen Gulaschparties und fast nebenbei, dass Abraham politische Veränderungen nicht wahrhaben wollte.

Da war er wohl nicht allein.
Denn auch knapp 90 Jahre später ignoriert man am Staatstheater politische und gesellschaftliche Veränderungen und bringt den Schinken mit viel Tamtam auf die Bühne, der es feiert, wenn sich Männer ohnmächtiger Mädchen bedienen und man sich am Abend als Mann zeitig auf den Weg machen muss, da sonst die besten Mädchen schon vergriffen sind.

Brot und Spiele für ein aus der Zeit gefallenes Publikum, das sich erschreckenderweise mehrheitlich köstlich amüsiert – und so überhaupt nichts Problematisches in der Handlung entdecken mag.
Weder überkommene, dumme Standesdünkel, noch die Rollenbilder von Frauen und Männern, noch eine Moral, die zwar lustig herüberkommen soll, jedoch ernst gemeint ist.

Was hilft es da, wenn wirklich gut musiziert, gesungen und getanzt wird?
Welche Rolle spielt es da noch zu erwähnen, dass Johannes Zurl phasenweise mit seinem (reduzierten) Orchester im Rausch der Lust etwas zu sehr aufdreht?
Bringt es da noch etwas, davon zu sprechen, dass zwei langjährige Statisten in richtig guten Rollen zu sehen sind und Thomas Harms mit der Inszenierung seinen Abschied feiert?
Kann man noch erwähnen, dass das Duett von Anne Martha Schuitemaker und Heiko Walter richtig gut ist?
Muss man auf tanzende Affen und heruntergelassene Unterhosen noch eingehen?

Ja, es wäre schön, über viele gute und einige auch weniger gute Aspekte der Inszenierung sprechen zu können – wäre da nicht dieser viel zu große Kloß im Hals.

Jens Pittasch

weitere Vorstellungen: 23.6., 9.7., 26.8. – Großes Haus
Informationen und Karten: https://www.staatstheater-cottbus.de/programm/maerchen-im-grand-hotel/

MÄRCHEN IM GRAND-HOTEL - Besetzung

Fotos: Bernd Schönberger

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