LARA und das Weinen der Sterne – Cottbuser Kindermusical

LARA, Titel, Szenenfoto

LARA und das Weinen der Sterne – Cottbuser Kindermusical

Premiere am 25. März 2022 (gesehen am 3. April)

Was möchte, kann oder soll Musical?
Unterhalten.
Oder mehr?
Und wie lautet die Antwort, wenn es um Musicals geht, die von Kindern und Jugendlichen realisiert werden?

Das Cottbuser Kindermusical (CKM) ist eine Institution, eine wichtige, feste Größe in Cottbus, in der Lausitz – und weit darüber hinaus bekannt.
Tatsächlich ist „CKM“ inzwischen für Generationen von Kindern und Jugendlichen DER Begriff ihrer Jugend. Und die heute mit ihren Urenkeln im Saal sitzen, waren zur Gründung des Ensembles -1969 – vielleicht sechs, acht oder zehn Jahre jung.
Dank unermüdlicher Macher und Unterstützer entging das Cottbuser Kindermusical der vorgesehenen Abwicklung während der politischen Wende unseres Landes und ist seit 2007, nunmehr als Lehrbereich des Konservatoriums Cottbus, organisatorisch und wirtschaftlich gut aufgestellt.
Insofern: Was möchte, kann oder soll KINDER-Musical?
Gerade vorgestern (5.4.) sprach die 12-jährige Ella aus Hamburg den Kommentar der ARD-Tagesthemen. Sie sprach über Kinderrechte und Putin, über Bildung und Krieg, über Ausbeutung und Flucht, über Deutschland und Scholz – … Seit sie acht Jahre alt ist, engagiert sie sich politisch, realisierte beispielsweise mit ZDF und KiKa eine erfolgreiche Initiative für Spenden an Flüchtlingskinder.
Acht bis zwölf Jahre? Ja, diese Altersgruppe bildet auch den Kern des CKM.
Und das neue Musical „LARA und das Weinen der Sterne“ ist politisch – Auszug aus dem Programm:
Einst verließ die reiche Oberschicht eine ausgeweidete Erde, die im Chaos der Naturkatastrophen kurz vor ihrem Untergang stand. Auf dem Saturnmond Titan schufen sie sich ein neues Paradies, schworen ihren alten Sünden ab und lebten als Sternianer fortan friedlich ohne Waffen und Naturraubbau. Galaxa und ihre drei Sternenkinder Starlet, Starlen und Polarius führten ihr Volk an…
Und auf der Erde?
Die Überlebenden auf der Erde fochten unterdessen schwere Kriege aus, bis die Herrscherin Hadera die Völker einte und gleichschaltete. Eine alte Familie von Wissenschaftlern, die eine neue Hoffnung für die Erde säte, indem sie die Technologie des Terraformings entwickelten, stand Haderas uneingeschränkter Macht im Wege. Sie merzte die Familie aus und behielt ein Baby bei sich, um es zu ihrer Nachfolgerin auszubilden…
Eine Oberschicht ließ vor tausend Jahren die Mehrheit der Menschen im Untergang zurück. Im Verlauf des Stückes wird klar, dass eben diese Oberschicht, mit ihrem damaligen Verhalten, die Ressourcen der Erde verbrauchte und Naturkatastrophen und Kriege, Gewalt und Diktatur selbst herbeiführte.
Es sind also schwerlich „die Guten“, die da auf dem Titan leben – meist zu eher anspruchsloser Musik tanzen und in schillernd bunten Farben im Licht ihrer eigenen, neuen Sonne umherschweben. Die einfache Märchen-Musical-Intention „Gut-Böse“ geht nicht auf. Eher erwecken die Sternianer (Bewohner des Titan) den Eindruck erheblicher Degeneration und Unselbstständigkeit, eingelullt von Disco-Schlager-Rumsbums und exotischer Landschaft, „behütet“ von ihrer Königin Galaxa, der selbstverständlich deren Kinder in der Herrschaft nachfolgen werden. Ist dieser Titan, ist diese Gesellschaft also eine Alternative zur Erde? Ganz abgesehen davon, dass der Weg dahin, eine sich einmal jährlich öffnende Brücke, mit einer Superwaffe abgesichert wird?
Derzeit sind Millionen Flüchtende aus der Ukraine unterwegs oder bereits im (noch) Frieden angekommen. Diese Brücke steht weit offen, wir überschlagen uns in Hilfe. Und man fragt sich schon, was diese Flüchtlinge von denen unterscheidet, die Wege aus Afrika, Syrien, Afghanistan, …. suchen. Oder denen, die dortbleiben und auch gern Waffen hätten, um ihre Heimat zu verteidigen.
Wir sind wie die auf dem Titan. Und Elon Musk baut die Raketen zur neuen Welt.

Welche Brisanz „LARA“ einen Monat vor der Premiere erhalten würde, konnte man erahnen, wollte jedoch (zumindest in Deutschland) niemand so recht wahrhaben.
Und ganz sicher war es auch nicht die Erwartung der Macher, sich so schnell mit einer solchen Realität konfrontiert zu sehen.
Bei der Entstehung des Stückes stand thematisch die Natur im Fokus, nicht der Krieg.
Es ging viel mehr um Musik und Tanz – als um Politik.
Und selbstverständlich wirken die Vorstellungen, auf die meisten der Zuschauer, vorrangig als künstlerisches Erlebnis.
In dieser Form ist alles vollkommen Musical und zeigt einmal mehr, was Kinder und Jugendliche können, wenn man sie nur lässt und ihnen diese Chancen eröffnet.
Die Leistung des Ensembles ist musikalisch, tänzerisch und darstellerisch geradezu vollkommen.
Wer selbst einmal versucht hat, zugleich komplexe Choreographien, Musik und Gesang und die Wiedergabe eine Rolle auf eine Bühne zu bringen, kann die Leistungen der Kinder und Jugendlichen – und derer, die mit ihnen gemeinsam all das erarbeiteten – in Gänze würdigen. Es ist jedoch überhaupt nicht notwendig, das im Einzelnen zu analysieren oder bestimmte Rollen hervorzuheben, hier funktioniert ein Gesamtkunstwerk aus sich heraus. Hier zählen begeisterte Kinder- und manche feuchte Erwachsenen-Augen mehr als Lob oder Kritik zu Details.

Übrigens: Allein, dass es dieses Cottbuser Kindermusical gibt, ist schon immer auch ein gesellschaftliches Statement. Die Leistung all derer, die das seit 53 Jahren ermöglicht haben und weiter möglich machen, ist kaum wertvoll genug einzuschätzen. Der Weg, der dabei gegangen wurde, zeigt, dass Veränderung möglich und erforderlich ist. War es im Gründungsjahr noch ein Festprogramm zum 20. Jahrestag der DDR, wechselte man von damals bis in die jüngere Zeit thematisch eher ins Unverfängliche, um seit Mitte der 2010-er Jahre verstärkt auch inhaltliche Zeichen zu setzen.
Auch die enorme Beeinträchtigung der Arbeit in den Pandemie-Jahren machte alle nur stärker: Die Lichter auf der Bühne sind wieder an, die Musik beginnt, sie singen, tanzen und spielen – für sich, für uns, für die Gegenwart und das, was wir in Zukunft daraus machen.
Vielen Dank!

Autor: Jens Pittasch

BESETZUNG (am 25.3.2022)
GALAXA – Jolina Troppa; STARLET – Pauline Sperling; STARLEN – Ida Dullin; POLARUIS – Tyler J. Twarz; PACHU – Hannah Sachs, WIRBELIE – Vanessa Halpick; LARA – Lina Hugyen; HADERA – Maja Kuschnir; SURYA – Emily Miesler
TRAUMWESEN, STERNIANER, ERDIANER – Kinder und Jugendliche der Musicalvorstufen 1/2 und der Musicalklasse
MACHER:
Kompositionen und Texte – Torsten Karow; szenische Bearbeitung – Anika Kuschka; Choreographien – Verena Otto; musikalische Bearbeitungen – Siegbert Himpel, Lutz Jank, Carina Pannicke, Detlef Bielke
BESONDERER DANK AN:
Verein zur Förderung des Cottbuser Kindermusicals e.V. und an den Ensemblemanager Ronny Schröter
WEB / VIDEOS





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