KLEIDER MACHEN LEUTE

Kleider machen Leute - Szenenfoto

KLEIDER MACHEN LEUTE

KLEIDER MACHEN LEUTE

Musikalische Komödie in einem Vorspiel und drei Akten von Alexander Zemlinsky
Libretto von Leo Feld unter Benutzung von Gottfried Kellers gleichnamiger Novelle
„Mannheimer” Fassung (1913)
Nach der Kritischen Erstausgabe von Antony Beaumont
Uraufführung
In deutscher Sprache

Premiere am 25. Januar, gesehen am 28. Februar 2025

Einen düster, grau-schwarzen Auftakt setzt Intendant Stephan Märki (Regie) gleich zu Beginn seiner Abschiedsinszenierung in starken Kontrast zur leichten bis glanzvollen Musik.

Auch später vermeidet er nicht, Widersprüche teils überdeutlich werden zu lassen, ohne etwa belehrend zu werden.

Dafür aber zwinkert Märki ganz deutlich mit den Augen, wenn er die eigentlich allzu schmalzigen Liebesgesänge mit blutroter Symbolik hintermalt, sich von Herzen jedoch fernhält.

Wie ganz generell das Bühnenbild baulich und in Projektionen einen erheblichen und guten Teil zum Stück beiträgt.

So hängen die Wolken zwar die gesamte Zeit über sehr tief über der Provinz, ist die Kutsche, mit der es hinaus in die Welt (na gut, nur in den Nachbarort) geht, jedoch gewaltig, und durchbrechen die Einblendungen die Enge und Langeweile bis hin ins Universum und zurück.

Wie diese Ausflüge jedoch Illusion bleiben, ist es auch mit dem vermeintlichen Grafen.

Die Projektionsfläche, die die Kleinbürger sich selbst schaffen, und in der sich der Schneider verfängt, ist allzu verlockend.

Für kurze Zeit stürzen sich die gelangweilten Damen und Herren des Ortes in einen Bedeutungsrausch, der ihnen zuteil zu werden scheint.

Und selbstverständlich ist dann da die Eine, die Besondere, die im Ort Begehrte – Nettchen mit ihren Träumen. Keiner der Einheimischen kann ihr genügen, doch dann sendet ihr das Schicksal einen geheimnisvollen Grafen, und verliebt auch dieser sich sogleich in sie.

Gottfried Kellers Novelle von 1874 ist eine Verwechslungskomödie, die erkennbar Anleihen von Grimm bis Hauff nimmt, tatsächliche, damalige Ereignisse einbaut und zugleich die Zeitlosigkeit des Sprichworts „Kleider machen Leute“ betont.

Alexander (von) Zemlinsky griff das Thema auf und schuf daraus ein Werk, das mal als Oper und mal als musikalische Komödie galt, selten aufgeführt und eigentlich nie fertig wurde.

Dass er selbst dem Wechselspiel seines Titelhelden gedanklich vielleicht nicht fern war, ließe sich daraus ableiten, dass Zemlinsky den aristokratischen Adelstitel, den sein Vater der Familie unter ungeklärten Umständen gab, dann verwendete, wenn er seiner Karriere half.

Während das Libretto des Stückes sich zwar an Keller orientiert, oft jedoch in Gefahr (oder darüber hinaus) gerät, kitschig und überladen zu werden, steht die Musik weit oberhalb solcher Kritik.

Zemlinskys Komposition entstand zwischen 1907 und 1909, während seiner Tätigkeit als Kapellmeister der Wiener Volksoper. Es war eine Zeit voll persönlicher Umbrüche und starker emotionaler Ambivalenz. Zemlinsky schwankt zwischen romantischer Tradition und modernen Kompositionstechniken, was im Ergebnis den besonderen Wert und Reiz der Arbeit ausmacht.

Märki und Merzyn (GMD, musikalische Leitung) erkennen die hierin liegende Herausforderung und heben mit ihrer Cottbuser Fassung einen fast vergessenen Schatz.

Sie lassen uns das künstlerische Ringen mit dem Stoff ganz unmittelbar fühlen, wobei das zu jedem Zeitpunkt ausreichend Leichtigkeit behält, um Komödie zu bleiben.

Künstlerische Klasse ist am Cottbuser Staatstheater ohnehin garantiert, verdient allerdings durch alle Ebenen besondere Erwähnung, da eben nicht selbstverständlich.

Stephan Märki nutzt die Möglichkeiten und Fähigkeiten des Hauses von den Gewerken bis zur Zusammenführung von Orchester, Chören und Solisten auf exzellente Weise.

Er versteht es, Charaktere zu formen – von der Hauptrolle bis zur teuflischen Gestalt.

Eben dieser Teufel ist es auch der einen Höhepunkt der Inszenierung einleitet, als die Täuschung auffliegt und sich ein furioser Faden ums Schneiderlein spinnt. Es wäre auch ein gutes Ende der Geschichte, ganz wie der Ausruf des Kindes: „Aber er hat ja nichts an!“

In Cottbus folgt eine Abrechnung mit dem „Grafen Ziegenböck“ die Spannung und Brisanz in das Stück bringt.

Auch hier gelingt Stephan Märki eine ganz hervorragende Darstellung der zugrundeliegenden gesellschaftliche Dynamiken von Ausgrenzung bis Fremdenfeindlichkeit – ganz ohne erhobenen Zeigefinder, dafür mit deutlichem Fingerzeig auf alle, die da glaubten, dass ein gut gekleideter Graf sie glücklich machen würde.

Märkis Cottbuser Abschied ist ein kulturelles Werk von überregionaler Bedeutung. Die Aufführung der verschollenen „Mannheimer Fassung“ überzeugt nach 111 Jahren mit klarem Konzept, großartiger Musik, starken sängerischen Leistungen und visuell beeindruckender Bühne und Kostümen.

Vielen Dank, und alles Gute auf Ihrem weiteren Weg Herr Märki.

Jens Pittasch

BESETZUNG

Kleider machen Leute - Besetzung

Informationen, Termine und Karten

Fotos: Bernd Schönberger

X
X
X