September, 2021

Dies ist eine wiederkehrende Veranstaltung

MI01sep11:00MI17:00Stich für Stich. Faden um Faden

Veranstaltungsdetails

„Bekleidung der Mauern war also das Ursprüngliche, seiner räumlichen, architektonischen Bedeutung nach das Wesentliche; die Mauer selbst das Sekundäre.“ – Mit diesen Worten beschreibt der Architekt und Architektur-theoretiker Gottfried Semper im Jahr 1849 das Verhältnis von Körper, Kleidung und Architektur als eine Konstruktion von Hüllen, die vom Kern ausgehend, dem Körper also, in unterschiedlichen Schichten eine räumliche Form bilden. Der Nukleus Körper bestimmt zwar die Form, jedoch ist für die Erkennbarkeit jenes Ausgangspunktes die Hülle entscheidend. Daher sei es Semper zufolge „…gewiss, dass die Anfänge des Bauens mit den Anfängen des Textrin zusammenfallen.“ Textrin war hierbei der Sempersche Begriff für die textile Kunst und deren unterschiedliche Formen. Jene Kunst konnte ihren Ausdruck sowohl in Kleidung – also der Erweiterung des menschlichen Körpers – als auch in textilen Wandbehängen – verstanden als Mauerwerks-bekleidung – finden. In der bildenden Kunst hat das textile Wandbild eine lange Geschichte. Dem gemalten Bild war es lange Zeit ebenbürtig oder übertraf dieses sogar noch in seiner Bedeutung. Erinnert sei an die großformatigen Gobelins in den adligen Residenzen Europas, die oft von Künstlern entworfen wurden. Im Laufe der Zeit nahm der Stellenwert textiler Kunst im architektonischen Kontext jedoch ab. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Wiederbelebung dieser traditionsreichen Gattung. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete das Bauhaus in Weimar und Dessau, in dessen Textilwerkstatt ästhetische Prinzipien der Moderne in abstrakt-konstruktiven Textilarbeiten umgesetzt wurden. Die zweite Inspirationsquelle für deutsche Künstler*innen stellte die französische Textilkunst der Nachkriegszeit dar, die wesentlich durch Jean Lurçat geprägt wurde. Von ihm stammt der Ausspruch, dass textile Bilder „das wärmende Kleid der Wand“ seien. In den 1950er- und 1960er- Jahren entstanden sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland anspruchsvolle und aufwändig gestaltete Tapisserien, die als architekturbezogene Arbeiten öffentliche (Innen)Räume prägten. Im Dialog mit zeitgenössischen, textilen Positionen wird das raumbildende und raumverändernde Potenzial dieser speziellen Kunstform in der Ausstellung thematisiert. Die ältesten dieser gestickten bzw. gewobenen Wandbilder der Ausstellung sind im Kontext des Bauhauses in den 1920er-Jahren entstanden. Weitere Bildteppiche stammen aus den 1950er-/1960er-Jahren. Die portablen Textil-/Kleidungsobjekte, die geradezu wie Prothesen eine körpererweiternde oder körpertransformierende Funktion haben und als Installationen gezeigt werden, wurden zwischen den späten 1970er-Jahren und heute entwickelt. 

Annemarie Balden-Wolff, Peggy Buth, Christa Jeitner, Elisabeth Kadow, Ellen Lehmann, Elrid Metzkes, Regina Maria Möller, Gabriele Stötzer, Sylvie Ungauer, Kata Unger

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