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ASCHENBRÖDEL

Staatstheater Cottbus, ASCHENBRÖDEL Szenenfoto Foto: © Bernd Schönberger

ASCHENBRÖDEL

ASCHENBRÖDEL
(Cinderella)
Ballett in 3 Akten (7 Bilder) von Serge Prokofieff und Nikolai Wolkow, op. 87
Choreografie von Xenia Wiest
Choreografische Uraufführung

Staatstheater Cottbus
Premiere am 8. November 2025, gesehen am 14. November 2025

„Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“
– diese Inszenierung ist ganz klar im Töpfchen zu finden.

Choreografin Xenia Wiest und musikalischer Leiter Alexander Merzyn bieten eine gegenüber Prokofieff stark verkürzte, damit jedoch sehr kurzweilige und zeitgemäße Fassung.
Ein erheblicher Teil der Partitur wurde gestrichen, was den Fokus von langatmigen Pantomimen weg und hin zu einem dichten, handlungsorientierten Erzähltempo lenkt.

Für ein Ballett gibt es viel Bühnenbild, verglichen mit klassisch-opulenten Ausstattungen (gerade bei Aufführungen zur Weihnachtszeit) jedoch sehr wenig – auch das betont zweckmäßig und damit etwas nüchtern.  Immer wieder jedoch aufgelockert mit einigen Farben der Kostüme oder Elementen der Bühne, wie den als emotionale Anker dienenden Kuscheltieren.

Statt aufwendiger Kulissen finden sich Projektionsflächen, auf denen animierte Kohlezeichnungen szenische Einführungen und Darstellungen liefern. Sie sind liebevoll gestaltet, und beleben schließlich auch das einzige nicht-geometrische Objekt (einen Baum) mit sprießenden Farben, bleiben ansonsten jedoch im Hintergrund. Was den Fokus gut auf die Tänzerinnen und Tänzer leitet.

Diese wiederum werden von Xenia Wiest eher subtil an ihr klassisches Potenzial geführt.
An Stelle starr gesetzter, geometrischer Virtuosität wird klassische Technik verwendet, um Bewegungen fließender und organischer werden zu lassen. Der ganze Körper dient dem Ausdruck von Emotionen, statt akademische Posen zu zelebrieren. Besonders Aschenbrödel wird nicht als leidendes Opfer, sondern als handelnde Akteurin gezeigt, die ihren Schuh auch nicht verliert, sondern ihrem Prinzen selbstbewusst zuwirft. So gelingt Wiest ein durchgehender Tanzfluss zur glanzvoll gespielten Musik. Es wird eine wundervolle Geschichte erzählt, als nur eine Abfolge von Tänzen zu zeigen.

Die zeitliche Ansiedelung in der Gegenwart kommt dieser Choreografie sehr entgegen. Lassen sich doch Ausdruck und Stimmung tänzerisch besser in Alltagskleidung zeigen als in überzeichneten Kostümen.

So sind in dieser Geschichte Stiefmutter und Stiefgeschwister auch weniger bösartig als ambivalent, mit durchaus erkennbaren und nachvollziehbaren Sorgen und Interessen. Dass die bösen Schwestern durch ein gemischtes Geschwisterpaar (Stiefschwester und Stiefbruder) ersetzt wurden, bricht zusätzlich mit der Tradition und lässt das Familiengefüge realistischer und menschlicher erscheinen.

Auch die „königliche“ Seite der Handlung fügt sich konsequent in dieses Bild. Das Herrscherpaar und sein Sohn ist fernab von steifem Zeremoniell und goldenem Thron. An Stelle huldvoll schreitender Repräsentanten sehen wir wohlhabende Oberschicht-Eltern, deren Suche nach der passenden Partie für ihren Sohn als Casting abläuft und weniger von Etikette als von generationentypischen Erwartungen geprägt ist.

Und Sohn George begegnet Aschenbrödel nicht als mythischer Retter, sondern als nach sich selbst suchender, offener Partner, der die Motive seiner Eltern und der restlichen Gesellschaft im Geldregen vorführt. Absolut köstlich hier die entlarvende Slo-Mo auf dem Sofa.

Wer bereit ist, traditionellen Pomp gegen echte Gefühle zu tauschen, wird mit dieser Inszenierung belohnt. Mit klarem Stil, berührender Figurenführung und einer stimmigen, menschlichen Erzählweise schafft das Ballett einen inspirierenden Theaterabend, der klassische und moderne Qualitäten auf besondere Weise vereint.

Absolut sehenswert für alle, die Offenheit und Tiefe schätzen.

Jens Pittasch

BESETZUNG

INFORMATIONEN UND KARTEN

FOTOS (Bernd Schöenberger)

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