Eine Choreografie von Brice Asnar
Uraufführung
Premiere am 3. Mai, Kammerbühne
Der seltsam geschriebene Titel „Hīeran“ stammt aus dem Altenglischen, informieren uns Flyer und Pressetext.
Choreograf Brice Asnar verwendet das historische Wort, um bereits in der Überschrift zu vermitteln, dass seine Arbeit zu den Wurzeln von Gesellschaft vordringen möchte. Zur Kommunikation, besonders auch zum Zuhören, als einer Grundvoraussetzung von Zusammenleben.
Das mag verwundern, geht es doch um einen Ballettabend.
Insofern sei vorausgeschickt, dass es zum Gesamtverständnis seiner Inszenierung ratsam ist, durchaus gefestigte Englischkenntnisse zu haben – um eben hören und verstehen zu können, was einleitend, begleitend und abschließend in den Raum gesprochen ertönt.
Nur dann erschließen sich Choreografie, Musik, Licht, Text und Bewegung in der beabsichtigten Einheit.
Dieses Zusammenspiel ist äußerst intensiv.
Zunächst scheinen einem die eigenen Gedanken beim Zuschauen (-hören) in wilden Synapsensprüngen oder ansatzsweise Tourette durcheinandergewirbelt zu werden.
Von exzentrisch zu fließend, von harmonisch zu exaltiert wechseln die Ausdrucksformen in schneller Folge und stellen erhebliche Ansprüche an die Tänzerinnen und Tänzer, jedoch ebenso ans zunehmend gebannte Publikum.
Auf dem irgendwie besonderen Boden sind sichere Schritte ebenso möglich, wie Dahingleiten – fast auf Eis. Ein Effekt, der durch wabernden Nebel und indirektes Licht noch unterstützt wird.
Wir geraten in Traumphasen, begegnen mal zombiehaften Gestalten, mal lauschend, suchenden Menschen. Alles scheint durch das Zusammenspiel von Kostümen, Bühne, Ton und Licht aus der Wirklichkeit genommen – zumindest aus dem Bewusstsein – und meint doch genau diese.
Brice Asnar und dem Ensemble gelingt mit „Hīeran“ eine absolut empfehlenswerte Arbeit, ein Werk, auf das Einzulassen sich lohnt, ein Beispiel für modernes Tanztheater, nah an der Performance.
Wenn sich die Aussage am Ende – über den Erfolg der Spezies Mensch – auf diese künstlerische Leistung bezieht, stimme ich gern zu – allgemein gesehen bin ich mir durchaus weniger sicher.
Jens Pittasch
BESETZUNG
Fotos: Bernd Schönberger